Rede Wilhelm Pieck 1949
Antrittsrede des Präsidenten der DDR Wilhelm Pieck
auf der gemeinsamen Tagung der Provisorischen Volks- und Länderkammer
(Berlin 11.10.1949)
Sie haben mich soeben als Mitglied der beiden höchsten Organe der Deutschen Demokratischen Republik, die Provisorische Volkskammer und die Provisorische Länderkammer, in gemeinsamer Tagung einstimmig zum Präsidenten gewählt.
Mit Ihrer Wahl haben Sie mir die höchste Ehre erwiesen, die einem Bürger unserer Deutschen Demokratischen Republik zuerkannt werden kann. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen für das mir geschenkte Vertrauen und versichere Sie, daß ich stets bemüht sein werde, dieses Vertrauen zu rechtfertigen. Ich werde meine ganze Kraft und die Erfahrungen eines langen, an Arbeit und politischen Ereignissen reichen Lebens einsetzen, um dem Wohle des deutschen Volkes zu dienen. Ich werde mir der hohen Verantwortung, die mir das Vertrauen des deutschen Volkes auferlegt, stets bewußt sein und – wie ich es soeben beschworen habe – „die Verfassung und Gesetze der Republik wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben.“
Ich werde mich stets als Sachverwalter der Interessen des ganzen deutschen Volkes betrachten, das sich, wie ich fest überzeugt bin, noch eine große, reiche und helle Zukunft erarbeiten und erringen wird.
Der Weg wird nicht immer leicht sein. Große Schwierigkeiten stehen unserem Volke noch bevor. Noch liegen zahlreiche Städte und Dörfer in Trümmern, noch ist die traurige Hinterlassenschaft der Hitlermacht und des Hitlerkrieges längst nicht überwunden. Noch spüren Millionen Deutsche die Folgen des Krieges am eigenen Leibe. Noch mangelt es vielen Menschen an Nahrungsmitteln und Kleidung, an Wohnraum und an Verbrauchsgütern verschiedenster Art. Noch ist es nicht gelungen, allen Umsiedlern volle materielle Sicherheit und das Gefühl der vollen Gleichberechtigung in der gemeinsamen deutschen Heimat zu geben und sie fest in dieser Heimat zu verwurzeln. Noch leiden vor allem unsere Alten, Kranken und Siechen und vor allem unsere Kinder unter diesen Schwierigkeiten des täglichen Lebens. Noch gibt es auch Fehler und Mängel in unserer jungen demokratischen Verwaltung und manche andere Unzulänglichkeiten. [...]
Es erscheint mir besonders wichtig, an diesem Festtage der deutschen Nation auf die großen und schwierigen, aber auch dankbaren Aufgaben hinzuweisen, die mit größter Tatkraft und Entschlossenheit zu erfüllen Ehrenpflicht der ersten Regierung unserer Deutschen Demokratischen Republik sein wird. Die Lösung aller dieser Aufgaben wird nicht leicht sein und viel Geduld erfordern. Die Lösung der großen und schwierigen Aufgaben setzt aber auch die Anspannung der Kräfte aller Deutschen und die freudige Mitarbeit des ganzen Volkes voraus. [...]
Es ist uns gelungen, im wesentlichen aus eigener Kraft, uns aus den größten Schwierigkeiten herauszuarbeiten. Wir haben bewußt darauf verzichtet, für das Linsengericht knechtender Dollarkredite die nationale Zukunft Deutschlands und die Freiheit des deutschen Volkes zu verkaufen. Wir können mit Stolz und Genugtuung auf das Resultat dieser Arbeit zurückblicken, das uns die Gewißheit gibt, die großen noch vor uns liegenden Aufgaben zu erfüllen.
Der historischen Wahrheit und Gerechtigkeit zuliebe halte ich es für nötig festzustellen, was vielfach schon vergessen wird, daß es in den Monaten und Jahren der größten Not unseres deutschen Volkes infolge des Hitlerkrieges die besten Vertreter der deutschen Arbeiterklasse waren, die sich nicht von Verzweiflung und Panik überwältigen ließen, sondern mutig und entschlossen schon an die Aufbauarbeit gingen, als die Trümmerstätten in unseren Städten und Dörfern noch rauchten. [...]
Es kann nicht Worte des Dankes genug geben, den wir der Sowjetregierung und dem Generalissimus Stalin für diesen hochherzigen Akt schulden und den wir durch eine intensive Arbeit im Sinne dieser Anerkennung abzustatten verpflichtet sind.
Wie ganz anders ist die Lage unseres Volkes in den westlichen Besatzungszonen. Unsere Brüder und Schwestern leben dort unter dem entwürdigenden Druck eines der deutschen Bevölkerung von den westlichen Besatzungsmächten aufgezwungenen Besatzungsstatus. Deutschland wurde gespalten und die wertvollsten Industriegebiete einem Sonderregime der Ausbeutung und Ausplünderung unterworfen. Mit Hilfe des Besatzungsstatus soll die Besetzung Westdeutschlands verewigt, ein Teil unseres Vaterlandes zu einer Kolonie des amerikanischen Imperialismus herabgewürdigt und zu einem Aufmarschplatz für einen neuen Krieg gegen das demokratische Deutschland, gegen die Sowjetunion und die Länder der Volksdemokratie, gegen das Lager des Friedens gemacht werden. Aber was die westlichen Besatzungsmächte mit Deutschland vorhaben, ist eine Sache, was sie können eine andere. [...]
Niemals wird die Spaltung Deutschlands, die Verewigung der militärischen Besetzung Westdeutschlands durch das Besatzungsstatut, die Losreißung des Ruhrgebietes aus dem deutschen Wirtschaftskörper von der Deutschen Demokratischen Republik anerkannt werden, und nicht eher werden wir ruhen, bis die widerrechtlich von Deutschland losgerissenen und dem Besatzungsstatut unterworfenen Teile Deutschlands mit dem deutschen Kerngebiet, mit der Deutschen Demokratischen Republik in einem einheitlichen demokratischen Deutschland vereinigt sind. [...]
Die Sowjetunion hat dem deutschen Volke in all den Jahren nach der Zerschlagung der Hitlermacht eine große unschätzbare Hilfe geleistet, in materieller Hinsicht durch die Lieferung wertvoller Lebensmittel, Maschinen und Betriebsausrüstungen, durch die Vermittlung der reichen Erfahrungen beim planmäßigen wirtschaftlichen Aufbau, in politischer Hinsicht durch die Ermöglichung demokratischer Reformen auf allen Gebieten des Lebens, in der Schaffung einer demokratischen Ordnung. Sie gibt uns jetzt in nationaler Hinsicht die Gelegenheit, eine eigene Außenpolitik zu entwickeln und unsere demokratische und friedensgewillte Zusammenarbeit mit den anderen Völkern unter Beweis zu stellen. [...]
Dazu aber ist es notwendig, daß wir zur Erfüllung dieser Verpflichtungen Sicherheiten in ganz Deutschland schaffen und der Politik ein Ende zu machen suchen, durch die im Westen Deutschlands die faschistischen und militaristischen Kräfte wieder die Überhand gewinnen und durch die die Vorbereitung für eine neue Aggression getroffen wird.
Ich appelliere deshalb an die Männer und Frauen im westdeutschen Bundestag und in der westdeutschen Bundesregierung, sich bewußt zu werden, in welcher Gefahr sich das deutsche Volk angesichts dieser Politik der Westmächte befindet, daß die Einheit Deutschlands zerstört, der Friedensvertrag verhindert, die nationale Existenz des deutschen Volkes aufs Spiel gesetzt wird und ihm ein neuer Krieg aufgezwungen werden soll.
Alles das kann aber verhindert werden, wenn der westdeutsche Bundestag und die westdeutsche Bundesregierung sich entschließen, nicht weiter diese Maßnahmen der westlichen Besatzungsmächte zu unterstützen, sondern den Kampf gegen sie aufzunehmen. [...]
Wir stehen heute an der Wende der deutschen Geschichte. Dank der unermüdlichen Arbeit der besten Kräfte des deutschen Volkes und dank der großen Hilfe, die uns die Sowjetrepublik erwiesen hat, unternehmen wir die ersten Schritte der staatlichen Selbständigkeit des deutschen Volkes. Sorgen wir alle in verantwortungsbewußter, loyaler und freundschaftlicher Zusammenarbeit dafür, daß wir uns der Größe der geschichtlichen Aufgaben gewachsen zeigen und daß wir dereinst vor dem Urteil der Geschichte bestehen können. Ich appelliere an das ganze deutsche Volk, gemeinsam seine Kräfte für die Einheit seines Vaterlandes und für die Erlangung eines gerechten Friedensvertrages einzusetzen.
In der Einheit und im Frieden liegen Leben und Zukunft unseres Volkes begründet.
Ich bitte Sie mit mir einzustimmen in den Ruf:
Deutschland, das deutsche Volk, seine nationale Einheit, seine Demokratie, sein wirtschaftlicher, politischer und kultureller Aufstieg, seine Freundschaft mit der Sowjetunion und allen anderen friedensliebenden Völkern, all diese Grundelemente der Deutschen Demokratischen Republik, sie leben hoch, hoch, hoch!
(Starker, langanhaltender Beifall)
Sie haben mich soeben als Mitglied der beiden höchsten Organe der Deutschen Demokratischen Republik, die Provisorische Volkskammer und die Provisorische Länderkammer, in gemeinsamer Tagung einstimmig zum Präsidenten gewählt.
Mit Ihrer Wahl haben Sie mir die höchste Ehre erwiesen, die einem Bürger unserer Deutschen Demokratischen Republik zuerkannt werden kann. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen für das mir geschenkte Vertrauen und versichere Sie, daß ich stets bemüht sein werde, dieses Vertrauen zu rechtfertigen. Ich werde meine ganze Kraft und die Erfahrungen eines langen, an Arbeit und politischen Ereignissen reichen Lebens einsetzen, um dem Wohle des deutschen Volkes zu dienen. Ich werde mir der hohen Verantwortung, die mir das Vertrauen des deutschen Volkes auferlegt, stets bewußt sein und – wie ich es soeben beschworen habe – „die Verfassung und Gesetze der Republik wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben.“
Ich werde mich stets als Sachverwalter der Interessen des ganzen deutschen Volkes betrachten, das sich, wie ich fest überzeugt bin, noch eine große, reiche und helle Zukunft erarbeiten und erringen wird.
Der Weg wird nicht immer leicht sein. Große Schwierigkeiten stehen unserem Volke noch bevor. Noch liegen zahlreiche Städte und Dörfer in Trümmern, noch ist die traurige Hinterlassenschaft der Hitlermacht und des Hitlerkrieges längst nicht überwunden. Noch spüren Millionen Deutsche die Folgen des Krieges am eigenen Leibe. Noch mangelt es vielen Menschen an Nahrungsmitteln und Kleidung, an Wohnraum und an Verbrauchsgütern verschiedenster Art. Noch ist es nicht gelungen, allen Umsiedlern volle materielle Sicherheit und das Gefühl der vollen Gleichberechtigung in der gemeinsamen deutschen Heimat zu geben und sie fest in dieser Heimat zu verwurzeln. Noch leiden vor allem unsere Alten, Kranken und Siechen und vor allem unsere Kinder unter diesen Schwierigkeiten des täglichen Lebens. Noch gibt es auch Fehler und Mängel in unserer jungen demokratischen Verwaltung und manche andere Unzulänglichkeiten. [...]
Es erscheint mir besonders wichtig, an diesem Festtage der deutschen Nation auf die großen und schwierigen, aber auch dankbaren Aufgaben hinzuweisen, die mit größter Tatkraft und Entschlossenheit zu erfüllen Ehrenpflicht der ersten Regierung unserer Deutschen Demokratischen Republik sein wird. Die Lösung aller dieser Aufgaben wird nicht leicht sein und viel Geduld erfordern. Die Lösung der großen und schwierigen Aufgaben setzt aber auch die Anspannung der Kräfte aller Deutschen und die freudige Mitarbeit des ganzen Volkes voraus. [...]
Es ist uns gelungen, im wesentlichen aus eigener Kraft, uns aus den größten Schwierigkeiten herauszuarbeiten. Wir haben bewußt darauf verzichtet, für das Linsengericht knechtender Dollarkredite die nationale Zukunft Deutschlands und die Freiheit des deutschen Volkes zu verkaufen. Wir können mit Stolz und Genugtuung auf das Resultat dieser Arbeit zurückblicken, das uns die Gewißheit gibt, die großen noch vor uns liegenden Aufgaben zu erfüllen.
Der historischen Wahrheit und Gerechtigkeit zuliebe halte ich es für nötig festzustellen, was vielfach schon vergessen wird, daß es in den Monaten und Jahren der größten Not unseres deutschen Volkes infolge des Hitlerkrieges die besten Vertreter der deutschen Arbeiterklasse waren, die sich nicht von Verzweiflung und Panik überwältigen ließen, sondern mutig und entschlossen schon an die Aufbauarbeit gingen, als die Trümmerstätten in unseren Städten und Dörfern noch rauchten. [...]
Es kann nicht Worte des Dankes genug geben, den wir der Sowjetregierung und dem Generalissimus Stalin für diesen hochherzigen Akt schulden und den wir durch eine intensive Arbeit im Sinne dieser Anerkennung abzustatten verpflichtet sind.
Wie ganz anders ist die Lage unseres Volkes in den westlichen Besatzungszonen. Unsere Brüder und Schwestern leben dort unter dem entwürdigenden Druck eines der deutschen Bevölkerung von den westlichen Besatzungsmächten aufgezwungenen Besatzungsstatus. Deutschland wurde gespalten und die wertvollsten Industriegebiete einem Sonderregime der Ausbeutung und Ausplünderung unterworfen. Mit Hilfe des Besatzungsstatus soll die Besetzung Westdeutschlands verewigt, ein Teil unseres Vaterlandes zu einer Kolonie des amerikanischen Imperialismus herabgewürdigt und zu einem Aufmarschplatz für einen neuen Krieg gegen das demokratische Deutschland, gegen die Sowjetunion und die Länder der Volksdemokratie, gegen das Lager des Friedens gemacht werden. Aber was die westlichen Besatzungsmächte mit Deutschland vorhaben, ist eine Sache, was sie können eine andere. [...]
Niemals wird die Spaltung Deutschlands, die Verewigung der militärischen Besetzung Westdeutschlands durch das Besatzungsstatut, die Losreißung des Ruhrgebietes aus dem deutschen Wirtschaftskörper von der Deutschen Demokratischen Republik anerkannt werden, und nicht eher werden wir ruhen, bis die widerrechtlich von Deutschland losgerissenen und dem Besatzungsstatut unterworfenen Teile Deutschlands mit dem deutschen Kerngebiet, mit der Deutschen Demokratischen Republik in einem einheitlichen demokratischen Deutschland vereinigt sind. [...]
Die Sowjetunion hat dem deutschen Volke in all den Jahren nach der Zerschlagung der Hitlermacht eine große unschätzbare Hilfe geleistet, in materieller Hinsicht durch die Lieferung wertvoller Lebensmittel, Maschinen und Betriebsausrüstungen, durch die Vermittlung der reichen Erfahrungen beim planmäßigen wirtschaftlichen Aufbau, in politischer Hinsicht durch die Ermöglichung demokratischer Reformen auf allen Gebieten des Lebens, in der Schaffung einer demokratischen Ordnung. Sie gibt uns jetzt in nationaler Hinsicht die Gelegenheit, eine eigene Außenpolitik zu entwickeln und unsere demokratische und friedensgewillte Zusammenarbeit mit den anderen Völkern unter Beweis zu stellen. [...]
Dazu aber ist es notwendig, daß wir zur Erfüllung dieser Verpflichtungen Sicherheiten in ganz Deutschland schaffen und der Politik ein Ende zu machen suchen, durch die im Westen Deutschlands die faschistischen und militaristischen Kräfte wieder die Überhand gewinnen und durch die die Vorbereitung für eine neue Aggression getroffen wird.
Ich appelliere deshalb an die Männer und Frauen im westdeutschen Bundestag und in der westdeutschen Bundesregierung, sich bewußt zu werden, in welcher Gefahr sich das deutsche Volk angesichts dieser Politik der Westmächte befindet, daß die Einheit Deutschlands zerstört, der Friedensvertrag verhindert, die nationale Existenz des deutschen Volkes aufs Spiel gesetzt wird und ihm ein neuer Krieg aufgezwungen werden soll.
Alles das kann aber verhindert werden, wenn der westdeutsche Bundestag und die westdeutsche Bundesregierung sich entschließen, nicht weiter diese Maßnahmen der westlichen Besatzungsmächte zu unterstützen, sondern den Kampf gegen sie aufzunehmen. [...]
Wir stehen heute an der Wende der deutschen Geschichte. Dank der unermüdlichen Arbeit der besten Kräfte des deutschen Volkes und dank der großen Hilfe, die uns die Sowjetrepublik erwiesen hat, unternehmen wir die ersten Schritte der staatlichen Selbständigkeit des deutschen Volkes. Sorgen wir alle in verantwortungsbewußter, loyaler und freundschaftlicher Zusammenarbeit dafür, daß wir uns der Größe der geschichtlichen Aufgaben gewachsen zeigen und daß wir dereinst vor dem Urteil der Geschichte bestehen können. Ich appelliere an das ganze deutsche Volk, gemeinsam seine Kräfte für die Einheit seines Vaterlandes und für die Erlangung eines gerechten Friedensvertrages einzusetzen.
In der Einheit und im Frieden liegen Leben und Zukunft unseres Volkes begründet.
Ich bitte Sie mit mir einzustimmen in den Ruf:
Deutschland, das deutsche Volk, seine nationale Einheit, seine Demokratie, sein wirtschaftlicher, politischer und kultureller Aufstieg, seine Freundschaft mit der Sowjetunion und allen anderen friedensliebenden Völkern, all diese Grundelemente der Deutschen Demokratischen Republik, sie leben hoch, hoch, hoch!
(Starker, langanhaltender Beifall)
(Wilhelm Pieck (1954): An der Wende der deutschen Geschichte. In: Reden und Aufsätze. Bd. II. Berlin, S. 295-303.)